Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

Handball: härtester Ballsport

Handball: härtester Ballsport

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Geschichte der Sportart

Bereits in der Antike gab es Ballspiele, die dem Handball ähnelten, das eigentliche Handballspiel entwickelte sich jedoch um die Jahrhundertwende vom 19. auf das 20. Jahrhundert. Als Geburtstag des Handballspiels gilt der 29. Oktober 1917, als der Berliner Oberturnwart Max Heiser festlegte, dass das von ihm für Frauen entwickelte Torball künftig Handball heißen solle. Interessanterweise wollte er mit dem Spiel eine Möglichkeit für Mädchen schaffen, sich mit einer weniger körperbetonten Sportart wie Fußball auszutoben.

Nachdem lange der Feldhandball dominierte, der 1936 auch einmalig olympisch war, gewann parallel dazu Hallenhandball immer mehr an Popularität und lief dem Feldhandball spätestens mit der Aufnahme in den olympischen Kanon 1972 den Rang ab. Vor allem in Europa ist die Sportart sehr beliebt, aber auch in Nordafrika und Asien ist sie weit verbreitet. Die deutsche Handball-Bundesliga (HBL) gilt als stärkste Liga der Welt, in der eine Vielzahl von Nationalspielern verschiedener führender Handballnationen spielt. Eine neue Variante des Handballs, Beach-Handball, wird in den letzten Jahren zunehmend populärer.

Wer im Handball mithalten möchte, muss über die Jahre hinweg deutlich gestiegenen Anforderungen an Kraft, Schnelligkeit und Athletik gerecht werden, auch Körpergröße und Gewicht/Muskelmasse der Spieler haben deutlich zugenommen.

Anforderungsprofil

Handball ist eine dynamische Ballsportart, mit schnellem Wechsel zwischen Angriff und Abwehr. Schnellkräftige Bewegungen, Antritte, Abstoppbewegungen, Sprünge, Landungen, Richtungswechsel oder auch Drehungen sind gefordert, parallel muss zudem der Ball kontrolliert werden. Diese hochbelastenden Elemente wechseln mit Spielunterbrechungen ab, die Möglichkeit fliegend zu wechseln erlaubt zudem, die Intensität hochzuhalten. Die Einführung der sogenannten „schnellen Mitte“ 1997 erhöhte das Spieltempo noch einmal. Aus 38,8 Angriffen pro Spiel und Mannschaft bei Olympia 1972 wurden 56 bei Olympia 2008. Im gleichen Intervall wurden die Spieler 10,1 kg schwerer und 6,3 cm größer. Ein weiteres Charakteristikum der Sportart, dem diese Größen- / Gewichtszunahme Rechnung trägt, ist der intensive Körperkontakt, den das Regelkraftwerk zulässt und der sowohl in Angriff als auch in der Abwehr eine hohe Anforderung an die Kraft- und Schnellkraftfähigkeit der Spieler stellt. Die durchschnittliche Strecke, die ein Spieler pro Spiel zurücklegt, liegt bei 3-4,5 km.

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt für die Belastung der Spieler liegt in der zunehmenden Anzahl der Spiele, die sie pro Saison absolvieren müssen. Ein Nationalspieler, der mit seinem Verein auch europäisch antritt, kommt inzwischen auf über 70 Spiele pro Saison.

Verletzungen

Die Intensität des Spiels, der relativ großzügig erlaubte Körperkontakt die gestiegene Anzahl der Wettkämpfe beinhalten natürlich auch ein Verletzungsrisiko.

Seit einigen Jahren veröffentlicht die Verwaltungsberufsgenossenschaft jährlich ihren Sportreport, in dem das Verletzungsgeschehen der beiden ersten Ligen der großen Ballsportarten detailliert analysiert wird. Er lässt sich erkennen, dass im Handball die Mehrzahl der Verletzungen während des Wettkampfs passiert, mehrheitlich bei Angriffsaktionen. Die meisten akuten Verletzungen erleiden Rückraum- und Kreisspieler. Auch wenn in den letzten Jahren die Zahl der Verletzungen etwas zurückging, Präventionsmaßnahmen also erste Wirkungen zeigen, kam es in der Saison 18/19 noch immer zu 2,33 Verletzungen pro Spieler in der ersten Liga und zu 75,9 Verletzungen pro 1000 Stunden Wettkampf. Ermüdung scheint eine Rolle zu spielen, da die Zahl der Verletzungen zum Ende der Halbzeit und zum Ende des Spiels zunimmt. Auch wenn bei 49 % der Verletzungen ein direkter Körperkontakt erfolgte und bei 26,9 % ein indirekter, wurde in 75 % der Fälle kein Foul gepfiffen.

© Sven Hasper Fotografie

Im Vergleich mit den anderen großen Sportarten scheint Handball nicht die härteste Sportart zu sein. Auch wenn viel Körperkontakt erlaubt ist, verletzen sich pro Saison in Liga 1 und 2 „nur“ 73 % der Spieler, jeder Spieler erleidet im Schnitt 2,24 Verletzungen. Handball ist damit auf ähnlichem Niveau wie Eishockey (76,6 %, 2,21) und deutlich unter Fußball (82,7 %, 2,65). Lediglich Basketball scheint für den Sportler „gesünder“ zu sein (66,2 %, 1,81).

Am häufigsten von Verletzungen betroffen ist das obere Sprunggelenk mit 14,7%, gefolgt von Knie (12,8 %), Oberschenkel (9,3 %), Schulter (9 %) und Hand (8,9 %). Auf die Verletzungskosten und die Arbeitsunfähigkeitstage bezogen liegen jedoch die Knieverletzungen mit 35,6 % bzw. 30,6 % mit großem Abstand an der Spitze.

Massive Unterschiede in den Verletzungszahlen der einzelnen Clubs der gleichen Liga sind ein deutlicher Anhalt, dass bei vielen Vereinen noch ein großes Präventionspotenzial vorhanden ist und abgerufen werden sollte.

Zu Überlastungsschäden existieren leider weniger exakte Daten, je nach Studie sind 11-40 % der Verletzungen Überlastungsschäden. Im Vergleich zu anderen Sportarten sind Überlastungen der Schulter deutlich überrepräsentiert mit 20-40 % der Fälle. Hier handelt es sich häufig um eine „Werferschulter“. Dieses komplexe Krankheitsbild würde jedoch allein einen eigenen Newsletter rechtfertigen.

Prävention

Vorrangige Präventionsziele sollten zum einen das Steuern der Trainingsload und zum anderen die Vorbereitung der Spieler auf potenzielle Verletzungssituationen sein, um sie möglichst optimal trainiert den Risiken für Überlastungen und akute Verletzungen entgegenstellen zu können.

Um optimale Prävention zu betreiben, gilt es zunächst zu analysieren, bei welchen Verletzungen sich das Vorbeugen „lohnt“, welche Verletzungen also häufig und schwer genug sind, dass sich erfolgreiche Prävention positiv bemerkbar macht. Im nächsten Schritt muss man die Ursachen dieser Verletzungen betrachten, also Risikofaktoren und Verletzungsmechanismen. Dann werden entsprechende Präventionsmaßnahmen eingeführt und im letzten Schritt muss der Erfolg der ergriffenen Maßnahmen kontrolliert werden, bevor der Zyklus wieder von vorne beginnt.

Des Weiteren gilt es zu wissen, welche Schwachstellen und Verletzungsrisiken bei den einzelnen Spielern vorliegen. Neben dem gründlichen medizinischen Eingangscheck sollte daher auch eine funktionelle Testung wie zum Beispiel der FMS oder der Präventionscheck der VBG erfolgen. So wird es auch in den Untersuchungsbögen im Profibereich, die die deutschen Handball Ärzte mit entwickelt haben, gefordert.

Für Verletzungen und Überlastungen der unteren Extremität, insbesondere Kreuzbandverletzungen, sind bereits zahlreiche, validierte, Präventionsprogramme wie FIFA 11+ oder StopX vorhanden, da diese Verletzungen auch in anderen Sportarten häufig auftreten. Überlastungsbeschwerden der Schulter sind schon eher ein „handballspezifisches“ Problem, daher wurden insbesondere in diesem Bereich spezifische Präventionsprogramme entwickelt, wie zum Beispiel das Shoulder Injury Prevention Program aus Oslo oder das Präventions-ABC des Bayerischen Handball-Verbandes.

Ausrüstung

Unter das Thema Prävention fällt auch, dass bei Bedarf, zum Beispiel nach Sprunggelenksverletzungen, eine geeignete Schutzausrüstung, zum Beispiel eine Sprunggelenks-Orthese, getragen wird. Auch die Sportstätte selbst sollte möglichst sicher gestaltet werden, zum Beispiel sollten Harzflecken auf dem Hallenboden, an denen Spieler kleben bleiben können, unbedingt vermieden werden.

Beim Thema Schutzausrüstung müssen jedoch die Vorgaben der Verbände berücksichtigt werden. So darf zum Beispiel beim Handball nach einer Nasenbeinfraktur keine Gesichtsmaske getragen werden, die eine frühere Rückkehr der Sportler ermöglichen würde, da die Masken aus Sicht der Verbände ein Verletzungsrisiko für die Gegner in sich tragen.

Ein kostengünstiges, effektives und erlaubtes Tool stellt der Mundschutz zur Vermeidung von Zahnverletzung dar.

Therapie

Besonders im Leistungssport spielt bei Verletzungen oder bei Überlastungsproblemen nach zeitnaher, effektiver Akutbehandlung und meist auch umfangreicherer Diagnostik der Zeitfaktor eine wichtige Rolle im sportmedizinischem Therapiekonzept. Schwerere Verletzungen sind meist operativ zu therapieren. Häufiger bedarf es aber im Alltag nicht nur einer Handballmannschaft einer komplexen, konservativen Therapie. Neben der unabdingbaren kompetenten physiotherapeutischen Behandlung werden dann auch interdisziplinär verschiedene etablierte oder auch neu entwickelte innovative Therapiemöglichkeiten (u.a. neuroreflektorische Kältetherapie, ESWT, Laser, MBST-Behandlung, Akupunktur, Osteopathie) besonders auch in Kombination und Reha-Maßnahmen zum Einsatz gebracht. Auch die sportpsychologische Begleitung kann den verletzten Sportlern helfen schnell und erfolgreich zurückzukehren. Das Return to Competition erfolgt heute nicht mehr zeit- sondern funktionsbasiert. Über eine stufenweise Evaluation der Leistungsfähigkeit des Sportlers wird die sichere Rückkehr aufs Spielfeld ermöglicht.

Sportmedizinische Betreuung im Handball

Im Handballsport ist besonders in den Profibereichen eine engagierte, qualitativ hochstehende, aber auch komplexe sportmedizinische Betreuung notwendig. Das hohe Versorgungsniveau im Leistungssport kann meist im Amateur-, Nachwuchs- und Breitensport nicht so umfassend realisiert werden. Ziel muss es aber sein, effektive Maßnahmen auch mit geringerem Aufwand unter den gegebenen Möglichkeiten umzusetzen. Informationen dazu bietet u.a. das Manual Handball der Verwaltungs-BG.

Fazit

Handball ist durch den erlaubten, intensiven Körperkontakt sicherlich eine harte Sportart, der Blick in die Statistiken zeigt jedoch, dass sich die Zahl der Verletzungen im Rahmen hält und sich bei weitem nicht von den anderen Ballsportarten abhebt. Nichtsdestotrotz ist es die Aufgabe der behandelnden Ärzte, die Verletzungsprävention weiter voranzutreiben, um den Sportlern eine gesunde Ausübung ihres Hobbys/Berufs zu ermöglichen.



DIE AUTOREN

Dr. Christoph Lukas, Bietigheim-Bissingen

Dr. Kai Fehske, Würzburg

Dr. Jürgen Bentzin, Berlin

Dr. Rene Toussaint, Leipzig

alle im Vorstand der Handball Ärzte Deutschland (www.handballaertze.de)