Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

GOTS: Verletzungen beim Fußball

GOTS – Pressenewsletter 07.07.2010

Sehr geehrte Damen und Herren,

heute Abend zählt es: Schafft die deutsche Fußball-Nationalmannschaft den Einzug ins WM-Finale 2010? Sollte das gelingen, ist am Sonntag gegen die Niederlande eine starke Mannschaft gefragt – ohne Verletzte.

Mit freundlichen Grüßen,
Frank Wechsel und Dr. Wolfgang Schillings, GOTS-Pressesprecher

Verletzungen bei Fußballspielern

Genau 736 gesunde Fußballspieler traten in den 32 qualifizierten Mannschaften am 11. Juni zu den Vorrundenspielen der Weltmeisterschaft in Südafrika an. Leider sind Verletzungen bei den Spielern nicht immer zu vermeiden gewesen – dann war der Einsatz des medizinischen Betreuerteams gefragt.

Die häufigste Verletzung bei Fußballspielern ist die Prellung der unteren Extremität. Etwa ein Viertel der Verletzungen wiederholen sich an gleicher Stelle. Die häufige muskuläre Oberschenkelverletzung wird in zwei Arten unterteilt: zum einen die häufige Prellung der Oberschenkelstreckmuskulatur und zum anderen die Zerrung der Beugemuskulatur in Folge von Überdehnung und Abbremsen. Eine Prellung hinterlässt in der Regel eine Prellmarke, der Riss eines Muskels zeigt oftmals eine Delle. Ein Hämatom zeigt sich nur bei einer intermuskulären Verletzung. Eine intramuskuläre Verletzung bleibt ohne sichtbare Hautverfärbung. Funktionelle Muskeltests müssen die Diagnose sichern. Die akute Behandlung besteht aus dem so genannten „PECH-Schema“ (Pause – Eis – Compression – Hochlagerung). Da intramuskuläre Blutungen bis zu 48 Stunden anhalten können, ist das oberste Behandlungsziel, die Blutung so gering wie möglich zu halten. Es sollten zunächst für vier bis fünf Tage keine Massagen durchgeführt werden. Als medikamentöse Therapie hat sich die Kombination aus Cox-II-Inhibitoren und entzündungshemmenden Enzympräparaten bewährt. Ergänzend haben auch homöopathische Mittel, die Arnika enthalten, gute Ergebnisse gezeigt. Akute Sehnenrupturen müssen kurzfristig operativ versorgt werden. Intramuskuläre Blutungen heilen deutlich länger als intermuskuläre Blutungen. Daher ist es für die prognostische Aussage extrem wichtig, die Blutungsart differenzialdiagnostisch zu klären. Die Prognose der muskulären Verletzungen ist gut. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass der Sportler das Training nicht zu früh wieder aufnimmt, da sonst die Gefahr der erneuten Verletzung an gleicher Stelle besteht und es somit zu einer ungleich längeren Verletzungspause kommt.

Häufig betroffen: Leiste und Knie
Ein diagnostisches Chamäleon ist der Leistenschmerz des Fußballers. Es gibt vielerlei Zustände, die den Schmerz in die Leistenregionen projizieren, unabhängig davon, ob sie auch direkt aus der Leiste stammen. Häufige Ursachen des Leistenschmerzes sind die Zerrung der Adduktoren sowie des M. Rectus Abdominis, Rectus Femoris und Iliopsoas. Differenzialdiagnostisch muss unbedingt auch immer an den Leistenbruch gedacht werden. Die Behandlung erfolgt auch hier nach der PECH-Regel und der oben erwähnten Medikamenteneinnahme.

Bei den Knieverletzungen stehen die Verletzungen des vorderen Kreuzbandes oftmals in Verbindung mit dem medialen Seitenband und dem Innenmeniskus sowie Knorpelverletzungen im Vordergrund. Insbesondere bei den Knieverletzungen ist eine schnelle Entscheidungsfindung des Mannschaftsarztes auf dem Spielfeld unabdingbar. Es muss durch den Unfallhergang, die Beschreibung des Spielers und durch eine fundierte klinische Untersuchung das Ausmaß der Knieverletzung bestimmt werden. Der Spieler muss gegebenenfalls vom Spielfeld getragen werden. Akut behandelt wird auch hier nach der PECH-Regel, welche für wenigstens 24 Stunden fortgeführt werden sollte.

Arthroskopie bei Meniskusriss
Die Meniskusverletzung ist die häufigste Verletzung des Kniegelenks im Fußballsport, wobei der Innenmeniskus fünfmal häufiger betroffen ist als der Außenmeniskus. Bei akuten Blockierungen nach einem Verdrehtrauma kann von einer frischen Meniskusverletzung ausgegangen werden. Es sollte dann zügig die Diagnostik und Therapie mittels Arthroskopie vorgenommen werden. Da die Kniegelenksarthrose nach Meniskusentfernung eine häufige Ursache für die Aufgabe des Fußballsports ist, wird die Durchführung der Meniskusnaht empfohlen, insbesondere bei den Amateuren.

Die Knorpelverletzung kommt beim Fußball isoliert und in Verbindung mit Meniskusläsionen vor. Diese Art der Verletzungen sorgt regelhaft für einen langen Ausfall des Spielers. Neben der klinischen Untersuchung ist bei der Diagnostik die Kernspintomographie hilfreich. Therapeutisch gehen die Meinungen der Sanierung von akuten Knorpelverletzungen auseinander. Die Rehabilitation ist in jedem Fall langwierig und der Spieler fällt für mindestens sechs bis acht Monate aus.

Bei Bänderverletzung meistens konservative Behandlung
Eine weitere häufige Verletzung im Fußball ist die des Sprunggelenks. Hierbei sind am häufigsten die Außenbänder betroffen und deutlich seltener die medialen Bänder. Nicht übersehen werden dürfen die Syndesmosenverletzungen, also Verletzungen der Verbindung zwischen dem Schien- und Wadenbein, und bei jugendlichen Fußballern auch die Verletzung der Wachstumsfuge. Typischer Verletzungsmechanismus ist der Gegnerkontakt, wobei das obere Sprunggelenk gestreckt und innenrotiert wird. Bei der Akutbehandlung auf dem Spielfeld steht auch hier im Vordergrund, eine rasche Entscheidung zu treffen, ob der Spieler eine signifikante Bänderverletzung erlitten hat. Wichtigste Soforttherapie ist auch hier das PECH-Schema. Es gilt die Grundregel: Je schneller die Blutung gestoppt und die Gelenksschwellung eingedämmt wird, desto kürzer ist die Rehabilitation für den Spieler. Die konservative Behandlung der Bandverletzungen am oberen Sprunggelenk steht im Vordergrund. Ausnahme bildet hier die Syndesmosenverletzung, die durch Reposition, Naht und Stellschraube oder Tight-Rope versorgt werden sollte.

Glücklicherweise selten, jedoch sehr ernst zu nehmen, sind Schädel-Hirnverletzungen. Hier ist insbesondere der erstbehandelnde Mannschaftsarzt auf dem Spielfeld gefragt. Beim geringsten Verdacht auf eine Gehirnerschütterung oder eine schwerere Hirnverletzung muss der Spieler sofort aus dem Spiel genommen und einer entsprechenden Diagnostik mittels Computertomographie zugeführt werden.

Die meisten Verletzungen ereignen sich zwischen der 31. und der 45. sowie der 76. und 90. Spielminute, also jeweils zum Ende einer Halbzeit. Sie gehen meistens auf Körperkontakt zurück. Die Hälfte aller Verletzungen wird durch Foulspiel verursacht. Die untere Extremität wird am häufigsten verletzt. Dabei steht die Oberschenkelverletzung mit 23 Prozent vor der Sprunggelenksverletzung (17 Prozent) und der Knieverletzung (16 Prozent). Unterschenkel und Leiste folgen mit 14 Prozent und 11 Prozent. Bei Turnieren oder in Wettkämpfen ist die Verletzungsgefahr deutlich höher als im Training.

Autor: GOTS-Mitglied Dr. Ingo Tusk (Frankfurt) ist Facharzt für Orthopädie, Spezielle Orthopädische Chirurgie und Sportmedizin. Er ist Leiter der Sektion „Sportorthopädie und Endoprothetik“ an der FIFA-Delegationsklinik Rotes Kreuz in Frankfurt am Main. Von 2001 bis 2003 wirkte er als Kooperationsarzt beim Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt, seit 2005 arbeitet er als Mannschaftsarzt beim Zweitligisten Kickers Offenbach und beim Frauen UEFA-Cup-Sieger 1. FFC Frankfurt. Für die Betreuung der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 war er akkreditierter FIFA-Arzt und für die FIFA-Frauen-WM 1011 ist er Venue Medical Officer. Im Mai 2009 wurde Dr. Tusk erneut zum Vizepräsidenten der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention und im Mai 2010 zum Präsidenten des Sportärzteverbandes Hessen gewählt. Zudem ist er Experte der Redaktion service-gesundheit beim Hessischen Rundfunk. 

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