GOTS – Pressenewsletter 24.08.2011
Sehr geehrte Damen und Herren,
die deutschen Hockeyspielerinnen und -spieler gehören seit Jahren zur Weltspitze. Bei der derzeit stattfindenden EM geht es auch um die Olympiaqualifikation. Wie verletzungsanfällig ist der schnelle Sport? Die Antworten finden Sie in diesem Newsletter.
Mit freundlichen Grüßen,
Frank Wechsel und Dr. Wolfgang Schillings, GOTS-Pressesprecher
Pressetext: Verletzungen beim Hockey
Noch bis zum 28. August finden die Europameisterschaften im Feldhockey in Mönchengladbach statt. Sowohl die deutsche Damen- als auch die Herren-Nationalmannschaft befinden sich in der Weltrangliste unter den ersten drei Nationen, sodass die Erwartungen entsprechend hoch sind. Besondere Bedeutung erhält die EM auch dadurch, dass sich die drei besten Teams für die Olympischen Spiele 2012 in London qualifizieren.
Nach dem Olympiasieg der Herren-Nationalmannschaft 2008 befindet sich das Team von Bundestrainer Markus Weise im Umbruch. Der Vizeweltmeistertitel 2010 in Indien aber zeigt, wozu die junge deutsche Mannschaft fähig ist. Durch eine langwierige Verletzung fällt bei dieser EM allerdings mit dem deutschen Sturm- und Strafeckenspezialist Christopher Zeller einer der besten Spieler der Welt aus, sodass diese wichtige und oftmals spielentscheidende Position bei Standardsituationen im deutschen Team neu besetzt werden muss.
Anforderungs- und Belastungsprofil
Hockey ist eine Spielsportart, in der neben den technischen und taktischen Fertigkeiten die gesamte Athletik eine große Rolle spielt. Sprints verschiedener Länge, Antritte, Richtungswechsel in Positionskämpfen und Ausdauer sind bei dem 2×35 Minuten dauernden Spiel sehr wichtig. Durch die Schnelligkeit des Spiels und die Enge des Raums sind Gegnerkontakte unausweichlich, sodass auch koordinative Fähigkeiten äußerst bedeutsam sind. Durch verschiedene Regeländerungen ist das Spiel in den letzten Jahren deutlich dynamischer geworden und durch die Möglichkeit, mit der Interchanching-Regel auch während des laufenden Spiels Spieler aus- und wieder einzuwechseln, bleibt das Spiel während der gesamten Spielzeit sehr schnell. Taktische Variationen im Deckungs- wie auch im Angriffsverhalten führen zu zahlreichen Tempogegenstößen und zu langen gruppentaktisch bedingten Laufwegen sowohl nach vorne wie auch nach hinten.
Während die bevorstehende Europameisterschaft und die Olympischen Spiele 2012 in Breitengraden stattfinden, die den Spielern keine zusätzlichen Probleme bereiten, werden viele bedeutende Events im internationalen Hockey auch unter extremen klimatischen Bedingungen in Malaysia, Singapur, Australien, Indien, China und Korea ausgetragen, was eine weitere besondere Belastung für die Spieler darstellt. Obwohl die Hockeyspieler in Deutschland keine Profis sind, sind zwei bis drei Trainingseinheiten pro Tag in Vorbereitungsphasen keine Seltenheit.
Akute Verletzungen
Da der beim Feldhockey benutzte Ball sehr hart ist, kann ein Getroffenwerden zu verschiedenen Verletzungen führen. Jedoch verbietet das Regelwerk weitgehend verletzungsprovozierende Aktionen, sodass die Verletzungshäufigkeit eher gering ist. Der Ball wird mit einem Schläger gespielt und angenommen und darf nicht „gefährlich“ gespielt werden, das heißt, dass eine Gefährdung durch hohes Spielen des Balls in unmittelbarer Nähe eines Mit- oder Gegenspielers verboten ist. Der Gegenspieler darf zudem nicht gefoult, also nicht bewusst zu Fall gebracht oder regelwidrig vom Ball getrennt werden. Bei unfreiwilligen Ballkontakten mit dem Körper kommt es je nach Härtegrad des Ballkontakts zu Prellungen und Platzwunden. Da der Ball aber meistens flach oder in einer Höhe unterhalb des Kniegelenks gespielt wird und die Unterschenkel der Spieler durch Schienbeinschoner geschützt sind, treten dort kaum Verletzungen auf. Im Rahmen des Kampfs um die Ballannahme kann es zu Prellungen durch Gegnerkontakt und zu Supinationstraumen im Positionskampf kommen.
Da Feldhockey heute normalerweise auf Kunstrasen gespielt wird, kann es bei Stürzen zu Abschürfungsverletzungen kommen, die meistens an den Knien lokalisiert sind oder zum Beispiel beim Hereinrutschen in eine Flanke auch an den Oberschenkeln und im Hüftbereich auftreten können. Schwere Stürze, die zu weitergehenden Verletzungen im Schädel-, Schulter- oder Thoraxbereich führen, kommen extrem selten vor. Bei der Strafecke dürfen sich die Verteidiger mit einem Gesichtshelm und einem Unterleibschutz schützen.
Überlastungsschäden
Es gibt nur wenige und nicht sehr aussagekräftige Arbeiten über mögliche Überlastungsschäden im Hockey. Auch in meiner langjährigen Praxis sind mir keine hockeyspezifischen Überlastungsschäden bekannt geworden. Die Häufigkeit der Probleme aus dem Bereich des „vorderen Knieschmerzes“ ist mit anderen Spielsportarten zu vergleichen. Das gleiche gilt für Rücken- (LWS-Syndrom) und Fußbeschwerden. Bei vielen Spielsportarten finden wir häufig Verkürzungen der hüftgelenksüberschreitenden Muskulatur sowie Kraft- und Dehndysbalancen im Bereich der Rücken- und Bauchmuskulatur, die zu Überlastungsschäden führen können, wenn sie nicht frühzeitig bekämpft werden. Die zwei Phasen im Jahr des Hockeyspielers (März bis Oktober = Feldhockey, November bis Februar = Hallenhockey) führen allerdings in der Wechselphase vom Feld in die Halle zu häufigen Problemen im Bereich der Tibiakante in Form des Schienbeinkantensyndroms.
Verletzungsvorbeugende Maßnahmen
Koordinatives Training mit und ohne Ball, Wackelbrettübungen, Vibrationstraining, Ausgleichssport und spezielles und individuelles Muskeltraining führen dazu, dass die Verletzungsrate beim Hockey gering ist. „Stabi-Training“ ist mittlerweile fester Bestandteil jeder Hockeytrainingseinheit. Im Rahmen der regelmäßigen Untersuchung der Kaderspieler (u.a. fms-test, biomechanische Tests wie Sprungkraftmessung, Muskelfunktionsanalyse, Laufanalyse, Untersuchung des Adaptionsverhaltens der Augen, Sprinttest, kieferorthopädische Untersuchung) auch in den Jugendklassen werden frühzeitig beginnende Dysbalancen aufgespürt und aufgearbeitet. Neben den intensiven orthopädischen Untersuchungen werden regelmäßig die Blutwerte der Spieler bestimmt, um einerseits Defizite und/oder pathologische Veränderungen festzustellen und andererseits in Phasen intensiver Belastung drohende Übertrainingsentwicklungen frühzeitig zu entdecken. Regelmäßige Ernährungsberatungen sowohl individuell wie auch bei Mannschaftslehrgängen sorgen für eine Optimierung der Essgewohnheiten.
Ausblick
Hockey gehört leider nicht zu den sehr bekannten und publikumsträchtigen Sportarten in Deutschland, während in Indien und Malaysia durchaus Zuschauerzahlen von 20.000-30.000 erzielt werden. Hockey ist in Deutschland keine Profi-Sportart, der weitaus größte Teil der Spieler sind Studenten. Seitens der Vereine und des Spitzenverbands wird die duale Karriere von Sport und Beruf intensiv gefördert. Die Europameisterschaft im eigenen Land mit den entsprechenden Fernsehübertragungen kann dazu führen, dass diese schnelle Mannschaftssportart an Interesse gewinnt.
Der Autor:
Dr. med. Dietmar F. Alf (Essen) ist leitender Arzt der Abteilung Sport- und Leistungsmedizin am OSP Rhein-Ruhr, Wittekindstrasse 62 in 45131 Essen, Verbandsarzt des Deutschen Hockey Bundes (DHB) sowie Mannschaftsarzt der Hockey-Herren-Nationalmannschaft.