Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

GOTS: Skilanglauf aus sportmedizinischer Sicht

GOTS – Pressenewsletter 08.12.2011

Sehr geehrte Damen und Herren,

in diesen Tagen ist fast überall im Lande der erste Schnee gefallen. Die Sportart Skilanglauf ist nicht nur in den Alpen beliebt. Wir beleuchten die Sportart aus sportmedizinischer Sicht – der nachfolgende Pressetexte ist wie immer zu Ihrer weiteren Verwendung freigegeben.

Mit freundlichen Grüßen,
Frank Wechsel und Dr. Wolfgang Schillings, GOTS-Pressesprecher

Pressetext: Skilanglauf aus sportmedizinischer Sicht

Skilanglauf ist eine nordische Wintersportart, bei der in der sogenannten klassischen oder freien (Skating) Technik auf Skiern gelaufen wird. In der Regel werden speziell präparierte Loipen benutzt. Als Leistungssport ist Langlauf insbesondere in Skandinavien sehr populär. Die wichtigsten Wettbewerbe im Skilanglauf werden vom Weltverband FIS organisiert. Die gelaufenen Distanzen in den Wettbewerben reichen von wenigen Kilometern (Sprint) bis maximal 50 Kilometer.

Akute internistische Erkrankungen
Sportartspezifisch kommt es zu einer ausgeprägten Exposition mit kalter und sehr kalter Luft in der winterlichen Umgebung. Bei der gleichzeitig belastungsbedingt hohen Ventilationsrate besteht in der leistungssportlichen Ausübung des Langlaufsports ein großes Risiko der Reizung der Schleimhaut der oberen Atemwege. Dies führt bei Langläufern gehäuft zu entzündlichen Veränderungen der Schleimhaut im Bereich des Nasen-Rachen-Raums, des Kehlkopfs sowie der oberen Luftwege. Klinische Symptome von Erkältungskrankheiten wie Husten, Halsschmerzen, Schnupfen und Nasennebenhöhlenbeschwerden stellen die häufigste Ursache der ärztlichen Konsultation im Langlauf dar. Zur effektiven Vorsorge ist daher eine sehr gute und umfangreiche Verhaltensschulung der Athleten erforderlich. Wichtige prophylaktische Maßnahmen beinhalten sämtliche Formen der „Schleimhautpflege“ wie großzügige Trinkmenge (vorzugsweise Tees), Nasenspülungen, Inhalationen und infektionsprophylaktische Maßnahmen, zum Beispiel häufiges Händewaschen, meiden großer Menschenansammlungen in der Wettkampfsaison, sofortiger Kleiderwechsel nach Belastungen und Isolierung von erkrankten Athleten.

Die Therapie der in der Regel viral bedingten Erkrankungen ist im Wesentlichen symptomatisch orientiert. Bewährt hat sich auch hier der Einsatz von Nasenspüllösungen, Inhalationen und Lutschpastillen. Medikamentös wird durch Einsatz von hoch dosiertem Vitamin C, Zink und lokal antiseptischen Lösungen eine günstige Beeinflussung des Krankheitsverlaufs angestrebt. Antivirale Präparate sind dabei meistens nicht sinnvoll. Ebenso ist der Einsatz von Antibiotika aufgrund der in der Regel zugrunde liegenden viralen Infektion eine eher seltene Behandlungsoption und bleibt normalerweise der Therapie einer bakteriellen Superinfektion vorbehalten.

Weitere internistische Krankheitsbilder sind durch die insgesamt günstige Beanspruchung des Herz-Kreislauf-Systems sowie die positive Auswirkung der Belastung auf den Gesamtorganismus als selten einzustufen.

Ein Augenmerk sollte gerade in der Betreuung von jugendlichen Athleten auf das Ernährungsverhalten gelegt werden. Aufgrund des sportartspezfisch sehr hohen Energieumsatzes muss eine hinreichende Versorgung mit kohlenhydratreicher ausgewogener Kost gewährleistet werden, um ungewollte katabole Situationen und damit den Verlust von Körpermasse zu vermeiden.

Belastungsinduzierte Atembeschwerden
Die vermehrte Schleimhautreizung der Atemwege durch die häufige intensive Ventilation von kalter und sehr kalter sowie auch trockener Luft führt bei nordischen Skisportlern häufiger zu belastungsbedingten Atembeschwerden im Sinne eines hyperreagiblen Bronchialsystems beziehungsweise eines belastungsinduzierten Asthmas (EIA). Jegliche Atembeschwerden eines Athleten unter Belastung bedürfen einer weiteren klinischen Diagnostik. In der Regel wird diese in einem spezialisierten Zentrum mittels bronchialer Provokationstestung durchgeführt. Bei Vorliegen eines belastungsbedingten Asthmas ist eine frühzeitige antiinflammatorische Therapie mit inhalativen Glukokortikosteroiden angezeigt, um eine Progredienz der Erkrankung zu vermeiden. Symptomatisch kann diese zudem mit einem ß2-Mimetikum kombiniert werden, welche beispielsweise auch als kurzwirksame ß2-Mimetika kurz vor höheren Belastungen zur Prophylaxe von Anfällen eingesetzt werden können. Der Einsatz von ß2-Mimetika bei Athleten ist prinzipiell durch den WADA-Code verboten, jedoch besteht eine Ausnahmeregelung für die die inhalative Anwendung von Salbutamol, Salmeterol und Formoterol. Diese Präparate sind für die Behandlung von Asthma zugelassen und müssen nur im Falle von Anti-Doping-Kontrollen angegeben werden. Gleiches gilt für die inhalativen Glukokortikosteroide.

Vom belastungsinduzierten Asthma sind die Formen der (zumeist inspiratorischen) belastungsinduzierten Atembeschwerden abzugrenzen, die meist in einer pathologischen Atemmechanik (zumeist supra-infra- oder stimmbandbedingter Verengungen) begründet sind. Diese Atembeschwerden lassen sich zumeist bereits in der Anamnese differenzieren und verursachen in der Regel inspiratorische Beschwerden, die der Sportler meist gut lokalisieren kann. Eine Therapie mit inhalativen Antiobstruktiva führt in diesen Fällen oft zu keiner Besserung der Symptome. Die adäquate Therapie besteht in einem qualifiziert angeleiteten Training der Atemmechanik. In wie fern die neu auf dem Markt befindlichen Atemmuskeltrainer in diesem Zusammenhang therapeutisch wirksam sind, ist derzeit noch ungewiss, bietet aber einen interessanten Behandlungsansatz.

Akute sportartspezifische Verletzungen
Akute Traumen sind im Vergleich zu anderen Sportarten beim Skilanglauf seltene Ereignisse. Die Angaben in der Literatur schwanken zwischen 0,5 und 5,5 Ereignissen auf 1.000 Sportler pro Skilanglauf-Tag. Dies resultiert aus dem niedrigen Gefahrenpotenzial und aus dem eher gering ausgeprägten Breitensportcharakter mit Verletzungen ungeübter Aktiver.

Selten Operationen erforderlich
Verletzungen während der auf Skiern durchgeführten Trainingseinheiten sind wesentlich seltener als in den Vorbereitungsphasen außerhalb der Wintersaison. Hier werden Trainingsumfänge zu Fuß, auf dem Straßenrennrad oder Mountainbike und dem Haupttrainingsgerät, dem Skiroller, absolviert. Hierbei ist das Gefahrenpotenzial für Verletzungen vergleichbar mit dem beim Inline-Skaten. Die meisten Verletzungen in der Vorbereitungsperiode resultieren aus sportartunspezifischen Trainingsmaßnahmen, zum Beispiel bei Spielsportarten.

Trainings- und Wettkampfeinheiten auf Langlaufskiern bergen zumeist sturzbedingte Verletzungsgefahren mit Prellungen und Distorsionen mit Gelenkbinnenschädigungen im Bereich der Hände, der oberen Sprunggelenke und der Kniegelenke. Frakturen der Extremitäten oder im Bereich der Wirbelsäule und des Thorax sind sehr selten. Intensive Trainingseinheiten werden von einer erhöhten Muskelverletzungsgefahr mit Zerrungen und Faserrissen begleitet. Die Therapie der genannten Verletzungen umfasst neben dem gesamten Spektrum der traumatologischen Akutversorgung die Physiotherapie mit ergänzender balneo-physikalischer Therapie, die Orthesenversorgung und auch die interventionelle Schmerztherapie. Operative Eingriffe auf Grund von skilanglauf-spezifischen Verletzungen sind insgesamt äußerst selten.

Sportartspezifische Überlastungsbeschwerden
Die Gesamtbelastungszeit im Skilanglauf entspricht in Wettkämpfen denen anderer olympischer Ausdauerdisziplinen mit einer Spannbreite von wenigen Minuten bis maximal zweieinhalb Stunden. Die Belastungen im Training sind dagegen sehr hoch und können bei 20 bis 30 Stunden pro Woche liegen. Im Spitzensportbereich zeigen sich daraus resultierende Überlastungs- und Fehlbelastungssymptome. Dabei stehen akute und chronische Muskeldystonien, Insertionstendinopathien, Tendinitiden und Tendovaginitiden im Vordergrund. Knochenhautreizungen vor allem der unteren Extremitäten beispielsweise durch Schuhprobleme oder muskuläre Fehlbelastung werden häufig beobachtet. Es finden sich inhomogen verteilte Beschwerdemuster im Bereich der oberen Extremität inklusive Händen und Schultergürtel, der Wirbelsäule im Bereich des lumbosakralen Übergangs, der unteren Extremität mit Knie- und Sprunggelenken wie auch des Fußes. In Abhängigkeit von der Trainingsintensität und -akzentuierung ist neben der Technikkorrektur meist auch die ärztliche beziehungsweise physiotherapeutische Betreuung zur Behebung muskulärer Missverhältnisses notwendig.

Durch die Entwicklung neuerer Schuh- und Bindungssysteme mit festeren Werkstoffen, kommt es in jüngerer Zeit häufiger zu Reaktionen des Periosts, die durch eine hohe lokale Druckbelastung bedingt sind. Hier muss frühzeitig eingegriffen werden, um einer Chronifizierung der Beschwerden, die bis zu einer äußerst schmerzhaften ossären Kallusbildung gehen kann, vorzubeugen. Durch schuhorthopädische Korrekturen mit Reduktion des lokalen Drucks, gegebenenfalls auch Schuhmodelwechsel, lässt sich das Problem effektiv beheben. Im akuten Fall kann eine lokale Infiltrationstherapie notwendig sein.

Besondere Belastung für die Lendenwirbelsäule
Um den Vortrieb beim Laufen auf Skiern zu gewährleisten, wird der Oberkörper in einer Beugebewegung gegen die unteren Körperpartien bewegt und dann in eine Hyperextensionsposition aufgerichtet. Die zu entfaltende Kraft korreliert mit der Ausnutzung des Beuge-/Streckungszyklus. Diese Bewegung führt bei sehr hohen Wiederholungszahlen zu einer vermehrten Krafteinwirkung auf die Bewegungssegmente der Lendewirbelsäule und des lumbosakralen Übergangs. Hier sind akute Beschwerden wie auch chronisch degenerative Veränderungen zu beobachten. Im Vergleich zum Biathlon oder der Nordischen Kombination, in denen keine Wettkämpfe im für die Lendenwirbelsäule belastenden klassischen Laufstil ausgetragen werden, finden sich im Skilanglauf Beschwerden und Langzeitfolgen in diesem Bereich in höherem Umfang.

Ärztliche Betreuung von Skilangläufern
Aufgrund der hohen Professionalität der Sportler und dem damit assoziierten, relativ niedrigen Risiko für akute Verletzungen ist eine traumatologische Absicherung direkt vor Ort bei Langlaufwettkämpfen nur für die jeweilige Gesamtveranstaltung (Rennarzt) notwendig. Eine entscheidende Rolle im verbandsärztlichen Betreuungskonzept für den Langlaufsport spielt die interdisziplinäre Komponente. Hier muss ein gutes Netzwerk von konservativen Orthopäden, Internisten und chirurgisch erfahrenen Orthopäden vorgehalten werden. In der Vor-Ort-Betreuung bei Trainingslagern und Wettkampfmaßnahmen stellen Infekte des oberen Respirationstrakts bei weitem die häufigste Behandlungsindikation dar. Der Prävention und Anleitung der Sportler und Trainer im Rahmen der sportmedizinischen Eignungs- und Saisoneingangsuntersuchungen kommt ebenfalls eine besonders wichtige Bedeutung zu. Um chronische Krankheitsverläufe zu vermeiden, ist eine frühzeitige Intervention mit konservativen Therapieformen zwingend erforderlich und die Zusammenarbeit mit einer suffizienten Physiotherapie essentiell. Bei der Notwendigkeit einer orthopädisch-chirurgischen Versorgung in sportorthopädisch-operativen Zentren ist in Abwägung der Ausfallszeiten beziehungsweise Saisonverläufe eine zeitnahe Durchführung anzustreben.

Benchmarks „Erkrankungen und Verletzungen beim Skilanglauf“

Die Autoren:
Dr. Jan Wüstenfeld, ärztlicher Mitarbeiter, Institut für Angewandte Trainingswissenschaft, Leipzig. Mannschaftsarzt der Deutschen Langlauf-Junioren-Nationalmannschaft, Mannschaftsarzt der Deutschen Biathlon-Nationalmannschaft

Priv. – Doz. Dr. Bernd Wolfarth, leitender Oberarzt der Abtlg. Präventive und Rehabilitative Sportmedizin am Klinikum rechts der Isar der TU München. Leiter des Fachbereichs Sportmedizin am Institut für Angewandte Trainingswissenschaft, Leipzig. Leitender Disziplinarzt Biathlon, leitender Verbandsarzt des Deutschen Skiverbandes, leitender Olympiaarzt des Deutschen Olympischen Sportbundes

Neuerscheinung:
Englische Version des GOTS-Manuals „Sportverletzungen“ in Zeulenroda vorgestellt

„Sports Orthopedics“ ist der Titel der englischen Ausgabe des offiziellen Handbuchs der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS). Das knapp 800 Seiten umfassende Werk wurde im September beim 2. Zeulenrodaer Kongress der Orthopädie und Sportorthopädie zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert.  An der Entstehung des Buches waren fast 100 Autoren beteiligt. Herausgeber des Buches sind PD Dr. med. Martin Engelhardt, Past-Präsident der GOTS, und Wissenschaftsautor Alexander Dorr./

“Wir haben uns für eine englische Ausgabe des GOTS-Manuals entschieden, um den Kollegen im anglo-amerikanischen Raum unsere Ideen in der Diagnose und Therapie von Sportverletzungen zugänglich zu machen”, sagte Dr. Martin Engelhardt bei der Buchpräsentation. Nun gelte es, “Sports Orthopedics” zu den Medizinern und Therapeuten im englisch-sprachigen Raum zu bringen.

Dazu will die Bauerfeind AG beitragen, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende, Tiago da Silva, den Herausgebern und Autoren. Das Unternehmen hat sowohl die Herausgabe der englischen Ausgabe unterstützt als auch die Veröffentlichung ihres deutschen Pendants “Sportverletzungen” im Jahr 2006. Es gilt heute als Standardwerk. Dies soll international auch für “Sports Orthopedics” gelingen – und zwar mithilfe der weltweiten Präsenz von Bauerfeind, aber auch über die Bauerfeind Akademie und deren Netzwerk in der Aus-, Fort- und Weiterbildung.

Kontakt:
GOTS-Geschäftsstelle
Petra Enderlein
Heinrich-von-Eggeling-Str.11
07749 Jena

Tel. 0 36 41 / 38 44 78
Fax 0 36 41 / 56 14 47
mobil 0 176 / 240 825 53
E-Mail: info@gots.org

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